Wie können Entspannungsübungen bei der Bewältigung von Angststörungen oder Depressionen helfen?

Eine interessante schriftliche Anfrage an mich, die ich hier veröffentliche.

Entspannungsübungen helfen bei der Bewältigung von seelischen Störungen nicht, weil …

Entspannungsübungen, so wie sie allgemein aufgefasst und praktiziert werden, sehen meistens so aus:
Der Mensch versucht, sich mit irgendeiner angeleiteten Entspannungstechnik oder einer Fantasiereise / Meditation zu entspannen. Das gelingt ihm in den meisten Fällen auch tatsächlich sehr zuverlässig. Warum? Weil die Übungen ihn auf angenehmste Weise von seinen problematischen Lebensthemen ablenken.

Eine angeleitete Entspannungsübung ist nichts weiter, als eine geführte Ablenkung mit einem maximal entspannungsfördernden Inhalt. Mehr nicht. Nicht selten schläft der problembelastete Mensch während einer Übungseinheit schon nach kurzer Zeit vor lauter Entspannung ein. Natürlich empfindet er das als eine Wohltat. Nur leider hat sich dabei nichts an dem Kern seiner seelischen Störung verändert. Die Unordnung seiner Seele, von solchen Übungen völlig unberührt, bleibt weiterhin bestehen.

Diese Art der Entspannung hat die gleiche Wirkung auf den Seelenzustand des Menschen, wie die Entspannung beim Fernsehgucken oder beim Hörbuchhören. Daran ändert auch nichts, wenn bei den Entspannungsübungen dem Menschen Mut und ein positives Lebensgefühl eingeflüstert werden. Mehr als nur sehr kurzfristige Effekte sind davon nicht zu erwarten.

Manche Menschen können sich auch bei geführten Entspannungsübungen nur sehr schwer oder gar nicht entspannen, weil sie dabei eine innere Unruhe entwickeln und ihr „Kopfkino“ startet. Das hat mit den einsetzenden Verarbeitungsaktivitäten der Seele zu tun. Zu diesem Thema finden Sie in meinen Blogs und Podcasts weitere Informationen.

Ein Gedanke zwischendurch

Jeder Mensch kann sich entspannen. Mit dieser grundnatürlichen Veranlagung kommen alle Lebewesen auf die Welt. Da gibt es nichts, was wir üben oder erst neu erlernen müssen. Allerdings ist für die Entspannung eine gewisse innere (seelische und körperliche) Ordnung notwendig. Das macht evolutionstechnisch durchaus Sinn. Befindet sich unser Körper in einem inneren Ungleichgewicht, wie zum Beispiel bei Hunger oder Durst, wird es uns natürlicherweise schwerfallen zu entspannen. Gelingt es uns mit allerlei Techniken dennoch, so ändert das nichts am Mangelzustand des Körpers.
Befindet sich unsere Seele in einem Ungleichgewicht, ist also ihre innere Ordnung gestört, wird eine Entspannungsübung ebenfalls nichts an der Störung ändern können. Auch hier muss zuerst die innere Ordnung wieder hergestellt werden.

Was hilft bei Ängsten und Depressionen?

Zunächst eine grundsätzliche (aus Platzgründen verkürzte) Information vorweg.
In seelischen Störungen aller Art zeigt sich eine jeweils andere Störung des seelischen Gleichgewichts. Die natürliche innere Ordnung ist gestört, d. h. es herrscht Unordnung. Kann man eine Unordnung überwinden? Oder bekämpfen? Nein, man muss Ordnung schaffen. Oder für die Voraussetzungen sorgen, damit sich die Ordnung wieder herstellen kann.

Eine ablenkende Entspannungsübung schafft nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine Heilung der seelischen Störung – eine ablenkungsfreie äußere Stille hingegen schon.
Herrscht äußere Ruhe, so setzen zuverlässig innere Ordnungsprozesse ein. Der Mensch spürt eine innere Unruhe, sein „Kopfkino“ startet, d. h. Gedanken, Bilder, Erinnerungen und Gefühle kommen in Bewegung. Bisher Unverarbeitetes wird verarbeitet; was im Leben fehlt, nach dem wird gesucht.

Fazit

Entspannungsübungen verschaffen dem Menschen eine wohltuende Erholungspause und daher spricht nichts gegen sie. Sie verhelfen aber nicht zu der Auflösung von Ängsten oder Depressionen. Zwischendurch einen schweren Koffer abzusetzen tut gut und ist erholsam, ändert aber nichts an seinem Gewicht. Es gibt verlässliche Wege zur seelischen Heilung, aber Entspannungsübungen gehören nicht dazu.

Ist die Seele aber wieder ins Gleichgewicht gekommen, dann sind die Entspannung (im Sinne von Loslassen) und Meditation die Mittel der Wahl, um in die tieferen Bereiche des Lebens zu gelangen und sich selbst und die Welt ganz neu zu erfahren.

Ihnen alles Gute!